Nordfriesland ist um eine außergewöhnliche Persönlichkeit reicher: Ein Schulrat ohne Abitur, der früher hauptberuflich Mode in Miami, Reisekataloge für Neckermann, aber auch Zahnoperationen in Nordrhein-Westfalen fotografiert hat, dürfte wohl deutschlandweit einmalig sein. »Ich finde es sehr positiv, wenn ein Schulrat auch außerhalb des Systems Schule Berufserfahrungen erworben hat«, betonte Landrat Dieter Harrsen bei der Vorstellung des neuen Schulrates Thomas Nonn in einem Pressegespräch im Husumer Kreishaus.
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Thomas Nonn, Jahrgang 1962, absolvierte nach der Fachhochschulreife kurz vor der Abiturprüfung eine Lehre zum Fotografen in Flensburg. Als angestellter und später freiberuflicher Fotograf kam er weit herum: »Einmal habe ich in Ägypten Fotos für den Geschäftsbericht eines internationalen Konzerns gemacht«, erinnert er sich. Doch als seine Frau Zwillinge bekam, musste er sein Leben umstellen: »Da meine Frau langfristig einen sicheren Job hatte, wurde ich Hausmann und habe mich zwei Jahre lang ausschließlich um unsere Kinder gekümmert«, berichtet er.
Eine Dauerlösung war das jedoch nicht: Der junge Vater entschloss sich, an der damaligen Pädagogischen Hochschule in Flensburg auf Lehramt zu studieren. Das fehlende Abitur konnte er durch den Nachweis einer Berufsausbildung samt mehreren Jahren Berufspraxis ersetzen. »Als erstes Hauptfach habe ich mich für Physik entschieden, weil ich als Fotograf ja zumindest im Bereich Optik schon viel mit Physik zu tun gehabt hatte. Die Wahl des zweiten Faches lag ebenfalls auf der Hand: Als hauptberuflicher Vater wusste ich, wie man einen Haushalt führt, und entschied mich für das inhaltlich eng verwandte Fach Hauswirtschaft, heute Verbraucherbildung. Als Drittes kam Deutsch dazu.«
Nach dem Studium arbeitete Nonn an Grund- und Hauptschulen in Lindewitt und Handewitt. Die Handewitter Schule war eine der ersten Schulen in Schleswig-Holstein, die zur Gemeinschaftsschule umgebildet wurden. Im Jahr 2008 bewarb Thomas Nonn sich als Schuldirektor in Flensburg. »Dort war ich erstmals selbst in der Leitungsfunktion und habe die Kollegien einer Haupt- und einer Realschule zu einer Gemeinschaftsschule zusammengeführt, der Comenius-Schule. Das war eine sehr spannende Zeit, in der ich viel gelernt habe.«
Nachdem er die Comenius-Schule in ruhigeres Fahrwasser gesteuert hatte, wuchs in Thomas Nonn erneut eine Unruhe, die er schon früher gespürt hatte: »Alle sieben bis acht Jahre habe ich etwas Neues angefangen. Als im Jahr 2016 die Position eines Schulrates in Nordfriesland ausgeschrieben wurde, entschloss ich mich, die Chance zu nutzen.«
Über Urlaube und familiäre Beziehungen hatte er ohnehin eine Verbindung zu Nordfriesland und sandte eine Bewerbung ab. Nonn bekam den Zuschlag, arbeitete einige Monate im Kieler Bildungsministerium, unterstützte daneben das Schulamt in Flensburg und ist seit dem 1. Mai 2017 offiziell Teil der unteren Schulaufsicht des Kreises Nordfriesland. Diese besteht aus drei Personen: Schulrätin Astrid Finger, Schulrat Thomas Nonn und Landrat Dieter Harrsen.
»Ich freue mich täglich wieder, nach Nordfriesland gekommen zu sein, weil die Schulen hier so außerordentlich vielfältig sind. Praktisch täglich erlebe ich neue Schulwelten«, beschreibt Thomas Nonn seine ersten Eindrücke. Sein Zuständigkeitsbereich umfasst rund 40 Schulen, darunter Grundschulen, Gemeinschaftsschulen, Deutsch-für-Ausländer-Zentren sowie Schulen mit dem Schwerpunkt Sonderpädagogik.
»Eigentlich wollte ich bis zum Beginn der Sommerferien alle einmal besucht haben, doch bis jetzt habe ich erst ein Drittel geschafft. Es ist nebenbei noch eine ganze Menge Tagesarbeit zu erledigen, und die Wege in Nordfriesland sind doch sehr lang«, stellt er fest. Faszinierend findet er die extremen Unterschiede zwischen den Schulen: »An einem Tag bin ich in dem Schulkomplex der Gemeinschaftsschule und der Beruflichen Schulen in Niebüll mit 4.000 Schülerinnen und Schülern, und am nächsten Tag in der Halligschule Nordstrandischmoor mit sage und schreibe vier Kindern. Insbesondere die Versorgung der Insel- und Halligschulen mit Lehrkräften ist eine spannende Aufgabe, die es so in Deutschland nur einmal gibt. Einen reizvolleren Zuständigkeitsbereich kann ich mir kaum vorstellen.«
»Ich freue mich, dass wir mit Herrn Nonn einen Schulrat gewonnen haben, der weite Horizonte zu schätzen weiß und auch selbst einen solchen mitbringt«, sagt Landrat Dieter Harrsen. »Das Schulwesen kennt ja ohnehin keinen Stillstand – oftmals zum Leidwesen vieler Lehrkräfte und Schüler. Frau Finger, Herrn Nonn und mir wird der Gesprächsstoff in den nächsten Jahren also sicherlich nicht ausgehen.«